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Wie ich wurde, was ich bin: Mein Weg zur Traumatherapeutin

Von außen betrachtet sah es so aus, als wüsste ich schon immer, was ich will und wohin ich will und dass ich diesen Weg unbeirrt verfolge. Gewissermaßen stimmte das auch. Es kam dann aber doch ganz anders, denn in mir herrschte außer meinem starken Willen auch eine sehr große Unsicherheit, die meinen Lebensweg maßgeblich beeinflusst hat. Heute beschreibe ich die wichtigsten Stationen auf meinem Weg vom unsicheren Mädchen zur standfesten Traumatherapeutin.
  1. 1988: Ich will Menschen beraten. Nur - womit? Ich war gerade 10 Jahre alt, konnte doch noch gar nichts…Dieser Wunsch und diese Frage überforderten mich so stark, dass ich das erstmal ganz weit weg schob. In der Schule wäre ich gerne Streitschlichterin gewesen. Da ich aber so schüchtern war, hat mir das keiner zugetraut. Dabei hatte ich das dringende Gefühl, dass ich das unbedingt machen muss, weil ich wusste, was tu tun war, um Streits zu schlichten. Leider kam es nie dazu. So blieb es dabei, dass ich kopfschüttelnd mitansehen musste, wie die offiziellen Streitschlichter die Streits nicht schlichteten.
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Das links auf dem Foto bin ich mit ungefähr 10 Jahren. Da war die Sicht noch nicht so klar.

  1. 1995: Physiotherapie oder lieber nicht? Ich hatte es mir während der Berufsorientierungswochen in der Schule so schön vorgestellt: durch meine eigene Physiotherapeutin, die viel mit Kinesiologie gearbeitet hat, bin ich drauf gekommen: das will ich auch! Und später, so der Plan, mache ich mich selbständig. Da ich damals immernoch von einer tiefen Unsicherheit begleitet war, ließ ich mich von meinem Umfeld davon abhalten.
  1. 1997 Abitur - und was nun? Ich konnte in der Schule alles recht gut, außer Chemie. Fun fact: ich wurde von vielen Mitschülern beneidet, weil mir so viel so leicht fiel und ich habe diejenigen beneidet, die in genau einem Fach so richtig gut waren. Ich dachte, denen würde es leichter fallen, eine Berufsentscheidung zu fällen. Ich habe mich nicht getraut zu studieren, weil ich dachte, ich sei dafür nicht gut genug, trotz Abi-Schnitt von 1,6. Hier zeigte sich wieder mein sehr geringes Selbstwertgefühl. Statt der angedachten Physiotherapie-Ausbildung habe ich dann lieber eine Ausbildung zur Versicherungskauffrau gemacht, das danach angefangene BWL Studium habe ich nach dem Vordiplom abgebrochen. Das war doch nichts für mich. Rückblickend war vor allem die Ausbildung sehr wichtig für mich, denn ich hatte damals ein großes Bedürfnis nach Sicherheit. Und wo kann man scheinbar mehr Sicherheit bekommen als in einer Versicherung?
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Ja, ich habe wirklich BWL an der Uni Hamburg studiert.

  1. 2001: Ich will dringend etwas in meinem Leben ändern. Ich habe mit 22 Jahren geheiratet und da ich jung Mutter werden wollte, habe ich 2001 und 2003 meine ersten beiden Kinder bekommen. Das war eine sehr gute Entscheidung und eine Gelegenheit für mich, mir nochmal neu Gedanken zu machen, was ich beruflich machen möchte. Es war allerdings nicht einfacher als zu Schulzeiten. Es gab so vieles, was ich gerne mochte und auch konnte. Ich war immer schon neugierig und habe viel und schnell neues gelernt.
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Das auf dem Foto bin ich als 25 jährige mit meinen beiden älteren Kindern auf dem Arm.

  1. Sommer 2005: Neustart mit Anlauf: Ich bekam mitten im Sommer eine Lungenentzündung. Nachdem ich ein halbes Jahr nicht so richtig gesund geworden bin, bis ich mich um die Ursprünge der Erkrankung gekümmert habe, hat mein Arzt mir vorgeschlagen, eine Kinesiologie-Ausbildung zu machen. „Zumindest mal schnuppern, vielleicht ist das ja was für dich“, sagte er damals zu mir. Das das wirklich zu mir passt, wurde mir an dem Infoabend für die Ausbildung klar.
  1. Sommer 2006: Erste Heilkunde-Ausbildung. Während der Kinesiologie-Ausbildung, die ich gemacht habe, ging es sehr viel darum, dass die Ursprünge körperlichen Leidens sehr oft ganz woanders zu finden sind, als es die Symptome vermuten lassen. Das fiel bei mir auf fruchtbaren Boden, fühlte sich sehr stimmig an. Ich entdeckte, dass es häufig sehr früh im Leben entstandene Ängste oder ungünstige Bindungserfahrungen mit den Eltern sind, die später im Leben körperliche Symptome verursachen.
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Der Ursprung ist nicht immer da, wo sich das Symptom zeigt: Die Rotation der Quadrate entsteht durch die Bewegung der Augen, nicht durch die Bewegung des Bildes.

  1. 2006-2007: Meinem Lebensboot eine neue Richtung gegeben. Meine eigene Therapie, während der ich gelernt habe, mein eigenes Trauma zu verarbeiten, hat mir unglaublich viele Erkenntnisse gebracht. Ich habe mich selbst verstanden, eine ganze Menge über Trauma und dessen Entstehung gelernt und währenddessen sehr viel in meinem Leben geändert. Eine meiner großen Erkenntnisse war, dass die Erkenntnis allein nicht reicht, etwas zu ändern. Es braucht immer eine emotionale Beteiligung.
  1. 2007 Meine Systemische Ausbildung öffnet mir den Blick von außen. Alles, was ich durch meine eigene Therapie im inneren kannte und noch viel mehr, konnte ich danach auch bei anderen wahrnehmen und andere begleiten. Mit dieser Ausbildung habe ich für mich die Grundlage gelegt, wie ich mit Menschen arbeiten möchte: wertschätzend, wertschätzend, wertschätzend, respektvoll, manchmal provozierend, lösungsorientiert.
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So kann eine systemische Aufstellung aussehen.

  1. Dezember 2008: Heilpraktiker-Prüfung, damit ich „richtig“ therapieren darf. Ich hatte schon im Hinterkopf: Wenn ich soweit bin, arbeite ich mit traumatisierten Menschen. Das ist genau mein Job, das werde ich gut können. (In Deutschland muss man, um Menschen heilen zu dürfen, Arzt, Psychotherapeut oder Heilpraktiker sein.) Ich brauchte nur noch Zeit und viel Erfahrung, die ich in den nächsten Jahren gesammelt habe.
  1. 2010: Fast alles neu. In diesem Jahr habe ich meinem Leben nochmal eine neue Richtung gegeben. Ich habe innerlich und äußerlich aufgeräumt, was einige Veränderungen zur Folge hatte. Eine Trennung, ein Neuanfang und ein Jahr später habe ich zwei weitere Kinder bekommen. In den nächsten Jahren gab es für mich viele persönliche Herausforderung und Entwicklungen. Durch das Meistern dieser Aufgaben ist mein Erfahrungsschatz groß geworden, was sehr hilfreich in meiner therapeutischen Praxis ist.
  1. Ab Sommer 2018: Trau ich mich an Trauma? Ich habe gemerkt: Sehr viele Therapeuten müssen lernen, wie es traumatisierten geht um dann angemessen darauf reagieren zu können. Zum Beispiel: Was ist passiert bei innerer Abspaltung (Dissoziation)? Wie kann man dafür sorgen, dass das nicht passiert und wenn doch, wie kann man jemandem da heraus helfen? Für mich war das alles ganz selbstverständlich. Als mir das klar wurde, brauchte ich mich nicht mehr trauen, mein Weg war klar und ich habe zuerst kleinere Traumafortbildungen besucht.
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So wie auf diesem Bild zu sehen ist, kann sich Dissoziation anfühlen.

  1. Herbst 2019: Erste spezielle Entwicklungstrauma-Fortbildung: Der Schwerpunkt dieser Fortbildung lag in bindungsorientierter Körperpsychotherapie. (Entwicklungstrauma äußert sich viel unspezifischer als Schocktrauma. Betroffene fühlen sich oft einfach „nur“ fehl am Platz, haben Ängste und wissen nicht, woher etc. Und es beeinflusst das Leben sehr stark.) Mir wurde klar: ein Großteil meiner Patienten litt unter Entwicklungstrauma, ich hatte bisher nur keinen Namen dafür gehabt. Es wurde schnell deutlich: Das ist genau meins.
  1. Heute bin ich mit viel Liebe und Freude Traumatherapeutin. Ich begleite Menschen, die von ihrem Trauma wissen und auch solche, die wegen diffuser Schwierigkeiten in ihrem Leben zu mir kommen und meine Hilfe brauchen. Meist steckt ein Entwicklungstrauma dahinter, das wir gemeinsam entdecken und auf einen guten Weg bringen. Auch wenn das Wort Freude in diesem Zusammenhang befremdlich klingen mag: Mir ist es wichtig, Freude in den Tag der Menschen zu bringen, auch wenn das Thema um das es geht, noch so traurig ist. Gerade weil ich nicht den typischen Psychotherapueten-Weg mit Psychologie-Studium und Kassenzulassung gemacht habe, bin ich in der Wahl meiner Methoden so frei wie ich es mir wünsche und für richtig halte. Auch das trägt zu meiner Freude und dem Erfolg meiner Patienten bei.
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